Eine Abschwächung der Nachfrage nach Elektrofahrzeugen (EV) in China, Europa und den USA verändert die globale Landschaft. Während die reifen Märkte an Dynamik verlieren, entwickelt sich die Golfregion zu einem starken Wachstumsmotor, unterstützt durch die Einführung neuer Modelle, den Ausbau des Ladenetzes und das steigende Verbrauchervertrauen.
Warum verlagert sich die Versorgung mit Elektrofahrzeugen in Richtung Golf?
Die globalen Produktionsüberkapazitäten haben sich für den Nahen Osten zu einem unerwarteten Vorteil entwickelt. Automobilhersteller leiten ihr Überangebot in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und nach Saudi-Arabien um und bieten dort mehr Modelle zu wettbewerbsfähigen Preisen an. Beobachtern zufolge setzt diese Verlagerung latente Nachfrage frei und erweitert die Auswahlmöglichkeiten für Verbraucher in beiden Märkten.
Roland Bergers EV-Ladeindex 2025 Die VAE werden 2024 mit fast 24,000 verkauften Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeugen der größte Markt für Elektrofahrzeuge am Golf sein. Saudi-Arabien folgte mit einer Verzehnfachung der Verkaufszahlen auf über 11,000 Einheiten. In Katar, den VAE und Saudi-Arabien verdoppelte sich der Marktanteil von Elektrofahrzeugen von etwa 2 % auf rund 4 % im Jahr 2024.
Arvind CJ, Partner und Leiter des Automobilsektors bei Roland Berger Middle East, stellte fest, dass die Abschwächung anderswo „es den Automobilherstellern, insbesondere chinesischen Marken, ermöglicht hat, den Nahen Osten durch schärfere Preise und ein stärkeres Produktangebot zu einem Schwerpunktmarkt zu machen“.
Welche Marken sind führend?
Chinesische Hersteller wie BYD, Geely, Chery, MG und Deepal beschleunigen ihre regionale Expansion. Sie eröffnen neue Ausstellungsräume und arbeiten mit Vertriebspartnern in Riad, Dschidda, Abu Dhabi und Dubai zusammen.
Frühere Akzeptanzhindernisse wie Preis, begrenzte Modellpalette und mangelhafte Ladeinfrastruktur verschwinden nun. Die Verbraucher in der Golfregion, die für ihre frühe Technologieakzeptanz bekannt ist, zeigen sich offen für neue Marken und verändern so die Händlerlandschaft der Region.
Wie schnell könnte die Akzeptanz wachsen?
Analysten prognostizieren, dass die Verbreitung von Elektrofahrzeugen in der Golfregion bis 2030 10–15 % erreichen könnte, angeführt von den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien. Dieses Wachstum könnte durch neue staatliche Anreize wie Steuererleichterungen oder Rabatte beschleunigt werden. Staatsfonds werden voraussichtlich eine größere Rolle spielen, nicht nur durch Investitionen in Elektrofahrzeughersteller, sondern auch in Infrastrukturunternehmen, die sich an nationalen Mobilitätsstrategien orientieren.
Wie unterstützen Infrastruktur und Regulierung das Wachstum?
Das rasante Wachstum der Elektrofahrzeuge in Saudi-Arabien wurde durch regulatorische Verbesserungen und optimierte Zertifizierungsprozesse verstärkt. Die Nachfrage diversifiziert sich zwischen staatlichen Flotten, Unternehmenskunden und Privatkunden – ein wichtiges Zeichen für eine nachhaltige Akzeptanz.
Die Ladeinfrastruktur entwickelt sich rasant. Die Kundenzufriedenheitsraten gehören zu den weltweit höchsten und erreichen 97 % in Katar, 95 % in den Vereinigten Arabischen Emiraten und 94 % in Saudi-Arabien. Allein in Dubai gibt es rund 1,270 öffentliche Ladestationen, Abu Dhabi plant bis 2028 500. Saudi-Arabiens EVIQ, unterstützt vom Public Investment Fund, strebt bis 2030 5,000 Ladestationen an 1,000 Standorten an.
Was sagen die Gulf-Fahrer?
Elektrofahrzeuge werden Teil unserer alltäglichen Mobilität. Fast die Hälfte der Autofahrer in der Golfregion nutzt ihr Elektrofahrzeug täglich oder fast täglich. Rund jeder Dritte fährt mehr als 20,000 Kilometer pro Jahr und liegt damit auf dem Niveau etablierter europäischer Märkte wie Norwegen und Deutschland.
Die Markentreue ist stark ausgeprägt. Rund 91 % der Besitzer von Elektrofahrzeugen in der Golfregion planen, ihr nächstes Auto mit Elektroantrieb zu kaufen. Damit liegt der Wert über dem weltweiten Durchschnitt von 87 %. Die VAE verzeichnen mit 94 % die zweithöchste Loyalität weltweit, knapp hinter China mit 99 %.
Die Kaufmotive unterscheiden sich je nach Land. In Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten sind niedrigere Betriebskosten der wichtigste Kaufgrund. In Saudi-Arabien sind Käufer vor allem von fortschrittlicher Technologie angezogen, gefolgt von Umweltvorteilen.
Wo und wie laden Gulf-Fahrer?
Das Ladeverhalten weist klare nationale Muster auf.
In Saudi-Arabien verfügen 62 % der Elektroautobesitzer über Heimladegeräte. In den VAE sind viele aufgrund der Hochhauslage auf gemeinschaftlich genutzte oder halbprivate Ladestationen angewiesen. Katar liegt dazwischen.
Auch die Lademöglichkeiten im öffentlichen Raum variieren. In den VAE bevorzugen Autofahrer Einkaufszentren, während in Saudi-Arabien Ladestationen an Autobahnen und öffentlichen Parkplätzen bevorzugt werden. In Katar dominieren Ladestationen an Autobahnen und in Einkaufszentren.
Wie wirken sich globale Gegenwinde auf die Dynamik am Golf aus?
Der Aufschwung in der Golfregion steht im Gegensatz zu Chinas erstem Rückgang der Elektrofahrzeugverkäufe seit 2020. BYD, der weltgrößte Hersteller von Elektrofahrzeugen, meldete im dritten Quartal 2025 einen Rückgang von 2.1 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum und verkaufte zwischen Juli und September 1.106 Millionen Fahrzeuge. Allein im September gingen die Verkäufe um fast 6 % zurück. Aufgrund von Preisdruck und Marktsättigung hat das Unternehmen sein Ziel für 2025 um bis zu 16 % gesenkt.
Chinesische Hersteller konzentrieren sich nun auf das Ausland. Zwischen 2022 und 2024 beliefen sich die Auslandsinvestitionen in die EV-Wertschöpfungskette von Unternehmen wie BYD, Geely, Chery und Great Wall Motors durchschnittlich auf 30.4 Milliarden US-Dollar pro Jahr und übertrafen damit erstmals das inländische Niveau.
Allerdings werden Hersteller aufgrund neuer Exportkontrollen aus Peking ab 2026 über Ausfuhrgenehmigungen verfügen müssen. Die Regelung zielt darauf ab, den unregulierten Handel einzudämmen, die Qualitätsüberwachung zu verbessern und den Ruf der Marke im Ausland zu schützen.
Wie verändert sich Chinas Exportlandschaft?
Laut dem chinesischen Verband der Automobilhersteller wird sich das Wachstum der chinesischen Fahrzeugexporte bis 2025 voraussichtlich auf 5.8 Prozent verlangsamen, verglichen mit 19.3 Prozent im Jahr 2024. Die Exporte von Elektrofahrzeugen gingen im vergangenen Jahr um mehr als 10 Prozent zurück, was teilweise auf die EU-Zölle auf chinesische Modelle zurückzuführen ist. Gleichzeitig stiegen die Exporte von Plug-in-Hybriden um 190 Prozent, da die Hersteller ihre Lieferungen nach Europa umleiteten, um Zölle zu umgehen.
Was bedeutet das für die Region?
Das Zusammentreffen von sinkender globaler Nachfrage, neuen Regulierungsmaßnahmen und einer Umverteilung der Produktionskapazitäten hat für die Golfregion ein Zeitfenster der Möglichkeiten geschaffen.
Für Verbraucher in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien bedeutet dieser Wandel eine größere Modellverfügbarkeit, günstigere Preise und einen verbesserten Zugang zur Ladeinfrastruktur. Mit der Vertiefung regionaler Politik und Investitionen wird der Golf eine entscheidende Rolle bei der globalen Umstellung auf Elektrofahrzeuge spielen.











